Samstag, 18. Februar 2017
Von der Angst einzuspringen
Krankenpfleger. Ein Beruf der praktisch rund um die Uhr geht.
Es gibt zwar einen Diensplan und man hat auch mal Dienstfrei, aber es kommt auch vor dass eine Kollegin oder ein Kollege ausfällt und dann braucht man Ersatz. Klar. Das ist jetzt nix neues, das Rad wurde auch nicht neu erfunden.
Alleinerziehender Vater. Auch ein 'Beruf' der Rund um die Uhr geht. Hier gibt es keinen Dienstplan und man hat nicht Dienstfrei. Es gibt einen Tagesablauf. Zeiten wo das Kind in der Schule ist. Zeiten wo das Kind Zuhause ist.

Mein Name ist Tom. Ich bin beides. Krankenpfleger und alleinerziehender Vater.

Es ist Wochenende.
Die einzigen zwei Tage der Woche an denen ich voll und ganz für mein Kind da sein kann. Theoretisch.
Die einzigen zwei Tage der Woche an denen ich mich um den Haushalt kümmern kann. Theoretisch.
Die einzigen zwei Tage der Woche an denen ich mal ausschlafen kann. Theoretisch.
Die einzigen zwei Tage der Woche an denen ich auch mal faul sein kann. Theoretisch.
Warte mal. So ein Wochenende könnte noch ein paar Tage mehr haben.

Also, da ist mein Kind, ein Mädchen, jetzt 9 Jahre alt. Vor gut zweieinhalb Jahren hat sie ihre Mutter (und ich meine Frau) durch Krebs verloren. Seitdem sind wir zwei alleine. Es gibt hier keine Onkels, Tanten, Opas oder Omas. Es gibt zwar einen Freundeskreis der sich immer mal gerne anbietet. 'Wenn du Hilfe brauchst, dann sag Bescheid.' Den Satz höre ich oft. Auch das Zähneknirschen wenn ich es wirklich mal tue.

Da ist der Haushalt. Unter der Woche bleibt gerne auch mal was liegen. Nach einem harten Arbeitstag hat man selten Lust alles pikfein zu halten. Da bleibt vielleicht der Abwasch stehen. Da bleibt vielleicht die Post da liegen wo man sie geöffnet hat. Da bleibt vielleicht der Papiermüll mal liegen. Wäschewaschen muss auch nicht täglich sein. Die Schränke sind voll und soviel Schmutzwäsche fällt nicht an.

Da könnte ich mal ausschlafen? Ne, das Kind will Frühstück, der Haushalt wartet, der Einkauf fürs Wochenende muss erledigt werden, das Kind möchte auch gerne entertained werden.
Und da hat es sich mit dem Faul sein auch schon.

Jetzt der Anruf von Station. Spätdienst is einer ausgefallen. Kannste einspringen? - Puh, das is jetzt aber spontan.

Also, ich hab keinen der auf mein Kind aufpasst, ich hab keinen der meinen Haushalt macht, ich hab keinen der sich für mich mal ausruht und ein bisschen faul ist.. Bitte was?

Genauso wie meine Kollegin auf der Suche nach einem Spätdienst ist muss ich jetzt einen Ersatz für mich für Kind und Haushalt suchen?

Klar kann ich Nein sagen. Aber was macht mein Gewissen? Komm schon, such ne Nanny die aufs Kind aufpasst, die Abwäscht und Staubsaugt. Die das Abendbrot richtet und später das Kind zu Bett bringt.
Aber auch: Dein Kind braucht DICH. Und zwar jetzt, genau heute. Weil sie Mama vermisst. Weil sie traurig ist wenn DU nicht für sie da sein kannst.

Oh Engel. Ich vermisse Dich auch.
Wie oft bin ich eingesprungen weil ich es konnte?
Unzählige Male.
Wie oft konnte ich einspringen weil das Kind passenderweise eh außerhalb bei einer Freundin übernachten wollte?
Auch mal.
Aber wie oft will ich einspringen wenn eine Betreuung für mein Kind nicht geregelt ist? Wenn sie nicht auswärts schlafen will und vielleicht auch gar nicht kann? Vielleicht haben die Eltern ja schon was anderes vor? Vielleicht hat die Nanny gar keine Zeit?

Muss ich meinem Kind wertvolle Zeit mit mir wegnehmen damit ich arbeiten gehen kann? Ich habe meinen Vollzeitvertrag reduziert damit ich um die betreute Zeit in der Schule drumherum arbeiten gehen kann ohne schlechtes Gewissen meinem Kind gegenüber.

Oh Engel. Ich vermisse dich auch.

... comment